5 years ago in Zitate
ObjektivitĂ€t ist ein Kriterium, das auf die Story schlechterdings nicht anwendbar ist. Maßgebend fĂŒr das Gelingen einer Story ist einzig und allein ihr Effekt. Die Forderung nach Richtigkeit geht nicht, wie bei der Nachricht, aus ihrem Wesen hervor: Sie wird von außen an sie herangetragen, ja, genaugenommen kann eine Story gar nicht richtig sein, sondern höchstens die in ihr verarbeiteten Details.

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Der Story-Schreiber bleibt grundsĂ€tzlich anonym, er legt die Karten nicht auf den Tisch, er arbeitet aus dem Unsichtbaren. Das rĂŒhrt nicht von seiner persönlichen Bosheit, sondern von den Gesetzen seiner Form her, die eine Ă€sthetische Form ist. Story ist Fiktion: dementsprechend muß sich ihr Verfasser als ErzĂ€hler auffĂŒhren, als allgegenwĂ€rtiger DĂ€mon, dem nichts verborgen bleibt und der jederzeit, wie nur je ein Cervantes ins Herz des Don Quichotte, ins Herz seines Helden blicken kann. WĂ€hrend aber Don Quichotte von Cervantes abhĂ€ngt, ist der Journalist der Wirklichkeit ausgeliefert. Deshalb ist sein Verfahren im Grunde unredlich, seine OmniprĂ€senz angemaßt. Zwischen der simplen Richtigkeit der Nachricht, die er verschmĂ€ht, und der höheren Wahrheit der echten ErzĂ€hlung, die ihm verschlossen bleibt, muß er sich durchmogeln. Er muß die Fakten interpretieren, anordnen, modeln, arrangieren, aber er darf es nicht zugeben, nicht Farbe bekennen, sich keine BlĂ¶ĂŸe geben. Eine verzweifelte Position. Um sie zu halten, sieht sich der Story-Schreiber gezwungen, zu retuschieren, zwischen den Zeilen zu schreiben.