node created 2019/09/29
In den Vereinigten Staaten ist das politische System nur am Rande von Bedeutung. Es gibt zwei sogenannte Parteien, aber sie sind in Wirklichkeit Fraktionen der gleichen Partei, der Geschäftspartei. Beide repräsentieren eine Reihe von Geschäftsinteressen. Sie können sogar ihre Positionen um 180 Grad wenden, ohne dass es überhaupt jemand merkt.
Interview mit Adam Jones, 20. Februar 1990
Die Bush-Regierung hat sehr wohl moralische Werte. Ihre moralischen Werte sind sehr explizit: poliere die Stiefel der Reichen und Mächtigen, trete allen anderen in's Gesicht, and lass die Enkelkinder dafür zahlen. Dieses einfache Prinzip schreibt fast alles vor, das geschieht.
Interview mit Steve Scher (20. April, 2005)
Dieser Konsumismus gründet darin, dass wir eine Gesellschaft sind, die von Geschäftsinteressen dominiert wird. Es gibt eine massive Propaganda, die jedermann zum Konsum anhält. Konsum ist gut für die Gewinne, und Konsum ist gut für das politische Establishment. [...] Konsum lenkt die Menschen ab. Die eigene Gesellschaft lässt sich schlecht mit der Armee kontrollieren, aber sie lässt sich durch Konsum ablenken. Die Wirtschaftspresse ist da deutlich zielgerichtet.
SPIEGEL 41/2008, S. 183
Die intellektuelle Welt ist zutiefst konformistisch.
SPIEGEL 41/2008, S. 185
Die amerikanische Gesellschaft ist heute zivilisierter als früher. Das verdanken wir der Entwicklung in den sechziger Jahren. Unsere Gesellschaft, und auch die in Europa, wurde damals freier, offener, demokratischer und damit für viele furchteinflößend. Dafür wurde diese Generation verurteilt. Aber es hat Wirkung gezeigt.
SPIEGEL 41/2008, S. 185
[Computer] sind nutzlos. Sie geben uns nur Antworten.
Echtes ehren, Schlechtem wehren, Schweres üben, Schönes lieben.
Ich habe mir nun auch eine Grabschrift erdacht. Sie soll heißen:

Gute Menschen, wenn etwas Gutes für die Menschheit geschieht, dann gedenkt freundlich in eurer Freude auch meiner.

Der Panther

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf –. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille –
und hört im Herzen auf zu sein.
Wunderliches Wort: die Zeit vertreiben!
Sie zu halten, wäre das Problem.
Denn, wen ängstigts nicht: wo ist ein Bleiben,
wo ein endlich Sein in alledem? -

Sieh, der Tag verlangsamt sich, entgegen
jenem Raum, der ihn nach Abend nimmt:
Aufstehn wurde Stehn, und Stehn wird Legen,
und das willig Liegende verschwimmt -

Berge ruhn, von Sternen überprächtigt; -
aber auch in ihnen flimmert Zeit.
Ach, in meinem wilden Herzen nächtigt
obdachlos die Unvergänglichkeit.
"Wunderliches Wort: die Zeit vertreiben!"
Bislang wurden die Behörden erst dann aktiv, wenn eine Straftat vorlag, und man ging zum Arzt, wenn man krank war. Inzwischen aber lässt sich immer genauer berechnen, ob ein Mensch womöglich kurz davor steht, eine kriminelle Handlung zu begehen, oder eine noch gesunde Patientin eine erhöhte Wahrscheinlichkeit aufweist, zum Beispiel an Brustkrebs zu erkranken. Sie ist noch nicht krank, jedoch zeigen genetische Daten und bestimmte andere biologische Indikatoren, dass sie in der Zukunft erkranken könnte. Und an genau dieser Stelle überschreiten wir den Rubikon zwischen Realität und dem digitalen Abbild: Nicht der Mensch an sich, sondern die Vorhersage des Modells wird Grundlage des Handelns. Der noch gesunden Patientin entfernt man vorsorglich die Brüste, und der unbescholtene Bürger wird vorsorglich womöglich verhaftet.
Gelächter bei meinem Namen und ich antworte: "Hier!". Er nahm sich in meinem Ohr wie ein Sprachschnitzer aus, aber ich habe ihn erkannt. Für einen Augenblick bin ich hier also genannt worden, man hat sich an mich gewandt, man hat ganz speziell mich angesprochen, mich, der ich nicht austauschbar bin. Und ich bin erschienen. Es hat sich jemand gefunden, der "ja" gesagt hat bei diesem Geräusch, das doch zumindest ebenso mein Name war wie ich hier ich selber war. Und ich mußte ja sagen, um in die Nacht zurückzukehren, zum Stein des namenlosen Gesichts. Hätte ich nicht ja gesagt, dann hätte man mich gesucht, die andern wären nicht weggekommen, bevor man mich gefunden hätte. Man hätte noch einmal gezählt und man hätte festgestellt, daß einer nicht ja gesagt hatte, einer, der nicht wollte, daß er er sei. Und die SS-Leute hätten mir, nachdem sie mich gefunden hätten, in die Fresse gehauen, damit ich anerkenne, daß ich hier wirklich ich bin und ich mir diese Logik fest hinter die Löffel schreibe: daß ich wirklich ich bin und daß dieses Nichts, das den Namen trug, den man gerade vorgelesen hatte, wirklich ich war.
"Das Menschengeschlecht"
Die Hände in den Taschen zu haben ist verboten. Das weist auf zuviel Unabhängigkeit hin. Häufig stecken die SS-Leute in unserer Gegenwart die Hände in die Taschen; es ist das Zeichen der Macht. Wenn wir das tun ist es ein Skandal.
"Das Menschengeschlecht"
Seite 59
Mit allem sind wir heimlich verschworen. Nur, weil die SS beschlossen hat, daß wir keine Menschen sind, sind die Bäume noch lange nicht vertrocknet und abgestorben. Wenn ich zum Ausläufer des Waldes hinüberblicke und dann den SS-Mann sehe, kommt er mir winzig vor, ebenfalls eingesperrt innerhalb des Stacheldrahts, zu uns verurteilt, eingeschlossen in die Maschinerie seines eigenen Mythos.
"Das Menschengeschlecht"
Seite 64
Dem verachtetstem Proletarier ist die Vernunft gegeben. Er ist weniger allein als der, der ihn verachtet und dessen Platz immer kleiner wird, der unabdingbar immer einsamer und einsamer wird, immer ohnmächtiger. Ihre Schmähung kann uns nicht treffen, so wenig wie sie den Alpdruck greifen können, den wir in ihrem Kopf verursachen: immer wieder geleugnet, sind wir nach wie vor da.
"Das Menschengeschlecht"
Seite 73
Sie dreht rasch den Kopf um, sieht zum Gang hin. Dann steckt sie die linke Hand in die Tasche ihrer Schürze. Sie zieht sie heraus, die Hand umschließt etwas. Ihr Gesicht verkrampft sich. Sie hält mir die geschlossene Hand hin.

"Nichts sagen", sagt sie leise.
Ich nehme, was sie in der Hand hat.
"Danke."
Was sie in der Hand hatte, ist hart. Ich drücke darauf, es knackt.
Ihr Gesicht entspannt sich.
"Mein Mann ist Gefangener."
Und sie geht weg.
Sie hat mir ein Stück Weißbrot gegeben.

[..]

Es ist kein Brot aus der Fabrik Buchenwald, Brot = Arbeit = Schläge = Schlaf; es ist menschliches Brot.
"Das Menschengeschlecht"
Seiten 84 und 85
Sie werfen die Bomben ganz in der Nähe ab, das dröhnt, verbreitet Schrecken. Wir fühlen uns nicht mehr so verlassen. Sie sind da, das Geräusch dauert fort, wir richten uns auf, wir lauschen; sie sind mächtig, unangreifbar. Die SS zittert. Wir haben keine Angst, und wenn wir Angst haben, ist es eine Angst, die gleichzeitig auch lachen macht. Sie sitzen in ihrer kleinen Kabine, sie sind gekommen, um eine Stunde über Deutschland zu verbringen, sie werden nie wissen, wer wir sind, doch die Bombardierung buchen wir für uns. Wir kosten die Angst der SS ganz aus.
"Das Menschengeschlecht"
Seite 91
Man glaubt, daß man sich wünscht, den SS-Mann umbringen zu können. Doch wenn man ein wenig darüber nachdenkt, weiß man, daß man sich irrt. So einfach ist das gar nicht. Man möchte ihn nämlich zunächst einmal mit dem Kopf nach unten aufhängen, die Beine in die Luft. Und sich schieflachen, sich wirklich schieflachen. Jene, die Menschen sind, wir, die wir menschliche Wesen sind, wir möchten auch ein wenig spielen. Wir würden des Spiels schnell müde werden, aber was wir möchten, ist dies: Kopf nach unten, Füße in die Luft. Das möchten wir gern mit den Göttern tun.
"Das Menschengeschlecht"
Seite 111
Wir können zwar gleichzeitig lachen, aber nicht zusammen. Mit ihm zu lachen hieße gelten lassen, daß es zwischen uns eine Gemeinsamkeit des Verstehens geben, daß etwas die gleiche Bedeutung haben könnte. Aber ihr Leben und unser Leben habe eine genau gegensätzliche Bedeutung. Wenn wir über etwas lachen, dann ist es etwas, über das sie leichenblaß werden. Wenn sie lachen, dann über etwas, das wir hassen.
"Das Menschengeschlecht"
Seite 139
Das Kriterium dieser Aristokratie - wie überhaupt aller Aristokratien - ist die Verachtung. Und wir haben gesehen, wie sie sich vor unseren Augen mit der Wärme, dem Komfort und dem Essen herausgebildet hat. Jene verachten - und dann hassen, sobald sie Ansprüche stellen -, die mager sind und einen Körper mit verdorbenem Blut dahinschleppen, jene, die man gezwungen hat, vom Menschen ein solches Bild darzustellen, daß es eine unerschöpfliche Quelle des Ekels und des Hasses ist.

Die Verachtung der Aristokratie für die Häftlinge ist ein Klassenphänomen, das gerade erst entworfen wird, und zwar in dem Sinne, daß sich innerhalb einer vorübergehenden Gemeinschaft eine Klasse herausbildet und manifestiert, die verteidigt werden muß; doch diese Verachtung kann nicht ebenso souverän sein wie die der SS, denn diese Aristokratie muß kämpfen, um sich oben zu halten. Kämpfen heißt, die andern arbeiten zu lassen, heißt sie bespitzeln, heißt auch, ihnen die Schonung zu verweigern. Die Verachtung stellt sich erst nachträglich ein, um den Kampf zu rechtfertigen; sie tritt erst dann an die Stelle des Hasses auf den möglichen Störenfried, wenn die Schlacht gewonnen ist, wenn die Lage sich endgültig konsolidiert hat.
"Das Menschengeschlecht"
Seite 237