node created 2019/09/29
Dass wir Gott nicht zwingen, wozu wir wollen, das liegt daran, dass uns zwei Dinge fehlen: Demut vom Grund des Herzens und kräftiges Begehren. Ich sage das bei meinem Leben, – Gott vermag in seiner göttlichen Kraft alle Dinge, aber das vermag er nicht, dass er dem Menschen, der diese zwei Dinge in sich hat, nicht Gewährung schenke. Darum gebt euch nicht mit kleinen Dingen ab, denn ihr seid nicht zu Kleinem geschaffen; denn weltliche Ehre ist nichts als eine Verwandlung und ein Irrsal der Seligkeit.
Wer werden will, was er sein sollte, der muss lassen, was er jetzt ist.
Gott kann ebensowenig Gleichnisse leiden, als er leiden kann, dass er nicht Gott ist. Gleichnis ist das, was nicht an Gott ist. In der Gottheit und in der Ewigkeit ist Einssein, aber Gleichheit ist nicht Einssein. Bin ich eins, so bin ich nicht gleich. Gleichheit ist nicht die Form des Wesens in der Einheit, dieses gibt mir Einssein in der Einheit, nicht Gleichsein.
Nötiger wäre ein Lebemeister als tausend Lesemeister; aber lesen und leben ohne Gott, dazu kann niemand kommen. Wollte ich einen Meister von der Schrift suchen, den suchte ich in Paris und in den hohen Schulen hoher Wissenschaft. Aber wollte ich nach vollkommenem Leben fragen, davon könnte er mir nichts sagen. Wohin sollte ich dafür gehen? Allzumal nirgends anders als in eine nackte entledigte Natur: die könnte mir kund tun, wonach ich sie in Ehrfurcht fragte. Leute, was sucht ihr an dem toten Gebein? Warum sucht ihr nicht das lebendige Heil, das euch ewiges Leben geben kann? Denn der Tote hat weder zu geben noch zu nehmen. Und sollte ein Engel Gott ohne Gott suchen, so suchte er ihn nirgends anders als in einer entledigten nackten abgeschiedenen Kreatur. Alle Vollkommenheit liegt daran, dass man Armut und Elend und Schmach und Widerwärtigkeit und alles, was dir zustossen und dich bedrücken kann, willig, fröhlich, frei, begierig und bereit und unbewegt leiden kann und bis an den Tod dabei bleiben ohne alles Warum.
Wäre nicht Gott in allen Dingen, die Natur wirkte oder begehrte in keinem Dinge etwas; denn es sei dir lieb oder leid, magst du es wissen oder nicht: die Natur in ihrem Innigsten sucht und meinet Gott. Nie würde ein Mensch, der Durst hat, so sehr nach etwas zu trinken begehren, wenn nicht etwas von Gott darin wäre. Die Natur meinte weder Essen noch Trinken, noch Kleider, noch Bequemlichkeit, noch sonst etwas, wenn nicht Gott darin wäre, und sie jagt und bohrt immer mehr danach, Gott darin zu finden.
Gott kann, was er will, darum hat er dich sich selbst völlig gleich gemacht und dich zu einem Bild seiner selbst gemacht. Aber »ihm gleich«, das klingt wie etwas Fremdes und etwas Entferntes; darum ist die Seele Gott nicht gleich, sie ist ganz und gar das Gleiche wie er und dasselbe was er ist. Ich weiss und kann nicht weiter, damit sei diese Rede zu Ende.
Den gerechten Menschen ist es so ernst mit der Gerechtigkeit, dass sie, gesetzt den Fall, Gott wäre nicht gerecht, nicht eine Bohne sich um Gott kümmerten.
Drei Dinge hindern den Menschen, so dass er Gott in keiner Weise erkennen kann. Das erste ist Zeit, das zweite Körperlichkeit, das dritte Mannigfaltigkeit. Solange diese drei in mir sind, ist Gott nicht in mir und wirkt nicht eigenhaft in mir.
Die Werke, die der Mensch von innen wirkt, sind lustvoll, sowohl dem Menschen wie Gott, und sind sanft und heissen lebendige Werke. Sie sind Gott deswegen wert, weil er es allein ist, der die Werke in dem Menschen wirkt, die von innen gewirkt werden. Diese Werke sind auch dem Menschen süss und sanft, denn alle die Werke sind dem Menschen süss und lustvoll, wo Leib und Seele mit einander einhellig werden. Und das geschieht in allen solchen Werken. Diese Werke heissen auch lebendige Werke, denn das ist der Unterschied zwischen einem toten Tier und einem lebenden Tier, dass das tote Tier nur von einer äussern Bewegung bewegt werden kann, das heisst: wenn man es zieht oder trägt, und darum sind alle seine Werke tote Werke. Aber das lebende Tier bewegt sich selbst, wohin es will, denn seine Bewegung geht von innen aus und alle seine Werke sind lebende Werke. Recht in gleicher Weise heissen alle Werke der Menschen, die ihren Ursprung von innen nehmen, wo Gott allein bewegt, und die von dem Wesen kommen, unsere Werke und göttliche Werke und nützliche Werke. Aber alle die Werke, die aus einer äusseren Ursache und nicht aus dem innern Wesen geschehen, die sind tot und sind nicht göttliche Werke und sind nicht unsere Werke. Auch spricht Meister Eckhart, dass alle die Werke, die der Mensch von innen wirkt, willkürliche Werke sind. Was nun willkürlich ist, das ist angenehm, und darum sind alle Werke, die von innen geschehen, angenehm, und alle die Werke, die infolge äusserer Bewegung geschehen, sind unwillkürlich und sind knechtisch, denn wäre das Ding nicht, das von aussen bewegt, so geschähe das Werk nicht, und darum ist es unwillkürlich und knechtisch und unangenehm.
Gerade wie ein Mensch, der gar nichts hat, der kann wohl mild sein, denn er gibt mit dem Willen; jedoch, wenn ein Mensch grossen Reichtum hat und nichts gibt, der kann nicht mild heissen. Und ebenso kann kein Mensch eine Tugend haben, der sich nicht dieser Tugend hingibt, wenn es Zeit und Raum erlaubt. Und darum sind alle die, die sich dem beschaulichen Leben hingeben und nicht äusseren Werken und sich ganz und gar von äusserem Werk abschliessen, im Irrtum und nicht auf dem rechten Weg. Da sage ich, der Mensch, der im beschaulichen Leben ist, kann wohl und soll sich von allen äussern Werken freimachen, solange er im Schauen ist; aber hernach soll er sich äussern Werken widmen, denn niemand kann sich allezeit und fortwährend dem beschaulichen Leben hingeben, und das wirkende Leben wird ein Aufenthalt des schauenden Lebens.
Eins ist ein untersagendes Aussagen. Sage ich: Gott ist gut, da wird etwas beigelegt. Eins ist ein untersagendes Aussagen und ein wehrendes Begehren. Was meint Eins? Etwas, dem nichts beigelegt wird. Die Seele nimmt die Gottheit, wie sie in ihr geläutert ist, wo nichts beigelegt wird, wo nichts gedacht wird. Eins ist Untersagen des Aussagens. Alle Kreaturen haben irgend ein Untersagen in sich; die eine sagt aus, dass es die andre nicht sei; ein Engel sagt aus, dass er nicht eine andere Kreatur sei. Aber Gott hat ein Untersagen alles Aussagens, er ist Eins und untersagt alles andere; denn nichts ist ausser Gott.
Was Gott für sich selbst ist, das kann niemand begreifen. Gott ist für sich selbst in allen Dingen, Gott ist alle Dinge in allen Dingen und Gott ist jedem Dinge allzumal alle Dinge. So soll die Seele sein. Gott ist keinem Dinge völlig nichts, Gott ist für sich selbst nicht völlig nichts, Gott ist nichts, was man in Worte fassen kann.
So unmöglich es ist, dass Gott das Wesen verliert, das er ist, so unmöglich ist es, dass Gott sein ewiges Wort in Bildern oder in Lauten aussprechen kann.
Alle Kreaturen jagen Gott mit ihrer Liebe, denn es ist kein Mensch so unselig, dass er aus Bosheit sündigte; sondern er tut es um seiner Lustgier willen. Es schlägt einer einen tot; das tut er nicht, um etwas Böses zu tun, sondern es dünkt ihn, er selbst käme, solange jener lebt, nimmer in sich selbst zum Frieden; darum will er in Frieden Lust suchen, denn Friede bringt Freude. So jagt alle Kreatur Gott mit ihrer Liebe, denn Gott ist die Liebe. So begehren alle Kreaturen der Liebe. Wäre ein Stein vernünftig, er müsste Gott mit seiner Liebe jagen. Wer einen Baum fragte, warum er seine Frucht trägt, wenn er Vernunft hätte, spräche er: dass ich mich in der Frucht erneuere, das tue ich, um mich von neuem meinem Ursprung zu nähern; denn dem Ursprung nahe sein, das ist lustvoll. Gott ist der Ursprung und ist Lust und Liebe.
Das geringste kreatürliche Bild, das sich in dir bildet, ist ebenso gross wie Gott. Warum? Weil es dich eines ganzen Gottes beraubt. Denn wo dies Bild hineingeht, da muss Gott und seine ganze Gottheit weichen. Aber wo dies Bild hinausgeht, da geht Gott hinein. Gott begehrt so gewaltig danach, dass du aus dir selbst, in kreatürlicher Weise, hinausgehst, als ob all seine Seligkeit daran liege. Fürwahr, lieber Mensch, was schadet es dir, dass du Gott gönnest, dass er Gott in dir sei?
"Vom innersten Grunde"
Die Leute sagen oft zu mir: Bittet für mich. Da denke ich: Warum geht ihr heraus? Warum bleibt ihr nicht bei euch selbst und greift in euer eigenes Gut? Ihr tragt doch alle Wahrheit wesenhaft in euch. Dass wir so wahrhaft in ihm bleiben und alle Wahrheit ohne Mittel und ungeteilt in rechter Seligkeit besitzen mögen, das walte Gott. Amen.
"Vom innersten Grunde"
Darum sage ich: wenn sich der Mensch von sich selbst und von allen geschaffenen Dingen abkehrt, so weit du das tust, so weit wirst du geeint und beseligt in dem Fünklein der Seele, das nie Zeit oder Raum berührt hat. Dieser Funke entzieht sich allen Kreaturen und will nur Gott, wie er an sich selbst ist. Er begnügt sich nicht mit Vater oder Sohn oder heiligem Geist, und nicht mit den drei Personen, sofern jede für sich in ihrer Eigenschaft dasteht. Ich sage wahrlich, eben dieses Licht begnügt sich nicht mit der Eigenhaftigkeit der fruchtbaren Beschaffenheit der göttlichen Natur. Ich will noch mehr sagen, was noch wunderbarer lautet: ich sage in guter Wahrheit, dieses Licht begnügt sich nicht mit dem einfachen stillstehenden göttlichen Wesen, das weder gibt noch nimmt, sondern es will wissen, woher dieses Wesen kommt, es will in den einfachen Grund, in die stille Wüste, wohin nie etwas Unterschiedenes, weder Vater noch Sohn noch heiliger Geist, gedrungen ist; in dem Innigsten, wo niemand heimisch ist, da begnügt es sich in einem Lichte, und da ist es einiger als in sich selbst; denn dieser Grund ist eine einfache Stille, die in sich selbst unbeweglich ist, und von dieser Unbeweglichkeit werden bewegt und da empfangen ihr ganzes Leben alle Dinge, die vernünftig leben und sich in sich selbst versenkt haben. Dass wir so vernünftig leben, das walte Gott. Amen.
"Von der Einheit der Dinge"
Daher schweig und schwatze nicht von Gott, denn damit, dass du von ihm schwatzest, lügst du, tust also Sünde. Willst du nun ohne Sünde sein und vollkommen, so schwatze nicht von Gott. Du sollst auch nichts verstehen unter Gott, denn Gott ist über allem Verstehen. Es sagt ein Meister: Hätte ich einen Gott, den ich verstehen könnte, ich wollte ihn nimmer für Gott halten. Verstehst du nun etwas unter ihm, davon ist er nichts, und damit, dass du etwas unter ihm verstehst, kommst du in eine Unverstandsamkeit, und von der Unverstandsamkeit kommst du in eine Tierheit; denn was an den Kreaturen unverständig ist, das ist tierisch. Willst Du nicht tierisch werden, so verstehe nichts von dem ungeworteten Gotte. »Ach, wie soll ich denn tun?« Du sollst ganz und gar entsinken deiner Deinheit und sollst zerfliessen in seine Seinheit und es soll dein Dein in seinem Mein ein Mein werden, so gänzlich, dass du mit ihm ewiglich verstehst seine ungewordene Istigkeit und seine ungenannte Nichtheit.
"Von der Erneuerung des Geistes"
Ich dachte manchmal, wenn ich mich im Freien erging, der Mensch könne mit der Zeit dazu kommen, dass er Gott zwingen kann. Wäre ich hier oben und spräche zu ihm: »Komm herauf!« das wäre schwer. Aber spräche ich: »Setz dich hier nieder!« das wäre leicht. So tut Gott. Wenn der Mensch sich demütigt, so kann Gott in seiner Güte sich nicht enthalten, er muss sich neigen und in den demütigen Menschen ergiessen, und dem Allergeringsten gibt er sich mit seinem Allermeisten und gibt sich ganz und gar. Was Gott gibt, das ist sein Wesen, und sein Wesen ist seine Güte, und seine Güte ist seine Liebe. Alles Leid und alle Freude kommt von der Liebe.
"Von Gott und der Welt"
Und wisse in Wahrheit, ist dir mehr an deiner eigenen Ehre als an der eines andern gelegen, so ist es unrecht. Wisse, wenn du das deine suchst, da findest du Gott nimmer, wenn du nicht rein Gott suchst. Du suchst etwas mit Gott, und tust gerade so wie wenn einer aus Gott eine Kerze machte, mit der man etwas sucht, und wenn man das Ding findet, so wirft man die Kerze weg. So tust du: was du mit Gott suchst, das ist nichts, Nutzen, Lohn, Innerlichkeit oder was es auch sei; du suchst nichts, darum findest du auch nichts. Alle Kreaturen sind lauter Nichts. Ich sage nicht, dass sie gering sind oder wenig sind: sie sind gar nichts. Wer kein Sein hat, ist nichts. Alle Kreaturen haben kein Sein, denn ihr Sein hängt an der Gegenwart Gottes. Kehrte sich Gott einen Augenblick ab, sie würden zunichte. Ich sprach manchmal und so ist es auch: Wer die ganze Welt nähme und Gott dazu, der hätte nicht mehr als wenn er Gott allein hätte.
"Von guten Gaben"