Zerknüllte Fußgänger schauen einen Augenblick forschend der sausenden Plumpheit unserer "grünen Minna" nach; sie mögen wohl denken: was für eine geheime Fracht haben die Nazis da schon wieder geladen? Von beschädigten Heldenbrüsten blinkt das Parteiemaille, das bunte Tarnungspflaster für alles. Diese geduckten Parteimannen auf den verunstalteten Straßen scheinen verzweifelt zu fragen: Was werden die Nazis schon wieder machen? - obwohl sie selber seit zwölf Jahren Nazis sind.
Ja, ich beobachte scharf und schnell, weil ich monatelang nichts sah als die grauen Wände, auf denen nur die Wanzen spazieren liefen."Kampf um den Kopf" (1948), Seite 13
Geld ist nicht nötig um auch nur eine Notwendigkeit der Seele zu kaufen.
Ein normaler Mensch sagt: "Ich habe gerade keine Lust."
Die Menschmaschine aus der Redaktion von Spiegel Online sagt: "Ich bin ein Jetztgeradekeinelusthaber."
Unter den Marken des Syndikalismus und Faschismus erscheint zum ersten Mal in Europa ein Menschentypus, der darauf verzichtet, Gründe anzugeben und recht zu haben, der sich schlechtweg entschlossen zeigt, seine Meinung durchzusetzen. Das ist neu: das Recht darauf, nicht recht zu haben, Grundlosigkeit als Grund. Die neue Einstellung der Masse manifestiert sich nach meiner Meinung am sinnfälligsten in ihrem Anspruch, die Gesellschaft zu führen, ohne dazu fähig zu sein. Aber wenn die Struktur der neuen Seele auch nirgends so grob und unverhüllt zutage tritt wie in ihrem politischen Gebaren, der Schlüssel liegt doch in ihrer geistigen Absperrung. Der durschnittliche Mensch entdeckt "Gedanken" an sich, aber er kann nicht denken. Er ahnt nicht einmal, wie scharf und rein die Luft ist, in der Gedanken leben. Er will "meinen", aber er will die Bedingungen und Vorraussetzungen alles Meinens nicht anerkennen. Darum sind seine Gedanken in Wahrheit nur Triebe in logischer Verkleidung."Der Aufstand der Massen"
Ich dachte manchmal, wenn ich mich im Freien erging, der Mensch könne mit der Zeit dazu kommen, dass er Gott zwingen kann. Wäre ich hier oben und spräche zu ihm: »Komm herauf!« das wäre schwer. Aber spräche ich: »Setz dich hier nieder!« das wäre leicht. So tut Gott. Wenn der Mensch sich demütigt, so kann Gott in seiner Güte sich nicht enthalten, er muss sich neigen und in den demütigen Menschen ergiessen, und dem Allergeringsten gibt er sich mit seinem Allermeisten und gibt sich ganz und gar. Was Gott gibt, das ist sein Wesen, und sein Wesen ist seine Güte, und seine Güte ist seine Liebe. Alles Leid und alle Freude kommt von der Liebe."Von Gott und der Welt"
Ich weiß jetzt, wenn man das Geheimnis hat, ein Vogel zu sein, kann man an zwei Orten gleichzeitig leben: hier und woanders."Das Geheimnis des Herrn Josef" (1976)
Hast du Geld, dann hast du nicht Käten;
hast du die Frau, dann fehln dir Moneten -
hast du die Geisha, dann stört dich der Fächer:
bald fehlt uns der Wein, bald fehlt uns der Becher."Das Ideal"
Obgleich wir wissen, daß die nationalsozialistische Macht militärisch gebrochen werden muß, suchen wir eine Erneuerung des schwerverwundeten deutschen Geistes von innen her zu erreichen. Dieser Wiedergeburt muß aber die klare Erkenntnis aller Schuld, die das deutsche Volk auf sich geladen hat, und ein rücksichtsloser Kampf gegen Hitler und seine allzuvielen Helfershelfer, Parteimitglieder, Quislinge usw. vorausgehen. Mit aller Brutalität muß die Kluft zwischen dem besseren Teil des Volkes und allem, was mit dem Nationalsozialismus zusammenhängt, aufgerissen werden. Für Hitler und seine Anhänger gibt es auf dieser Erde keine Strafe, die ihren Taten gerecht wäre.
Aber aus Liebe zu kommenden Generationen muß nach Beendigung des Krieges ein Exempel statuiert werden, daß niemand auch nur die geringste Lust je verspüren sollte, Ähnliches aufs neue zu versuchen. Vergeßt auch nicht die kleinen Schurken dieses Systems, merkt Euch die Namen, auf daß keiner entkomme! Es soll ihnen nicht gelingen, in letzter Minute noch nach diesen Scheußlichkeiten die Fahne zu wechseln und so zu tun, als ob nichts gewesen wäre!
Indoktrination ist keineswegs inkompatibel mit der Demokratie. Vielmehr ihre Essenz. Ohne Knüppel, ohne Kontrolle durch Gewalt muss man das Denken kontrollieren. Dazu greift man zu dem, was in ehrlicheren Zeiten Propaganda genannt wurde.
Um ein mitleidiges Herz bitte ich, wie könnte ich sonst lieben? O, da ich in allem so seicht bin, muss ich alles erbitten. Ein Kind kann mitleiden, aber ich vergesse oft die Schmerzen, die mich doch erdrücken müssten, die Schmerzen der Menschen. Und meine ohnmächtige Liebe lege ich in Deine Hand, damit sie mächtig wird.6. August 1942
Menschen, sofern sie mehr sind als reaktionsbegabte Erfüllungen von Funktionen, deren unterste und daher daher zentralste die rein tierischen Reaktionen bilden, sind für totalitäre Systeme schlechterdings überflüssig. Worum es ihnen geht, ist nicht, ein despotisches Regime über Menschen zu errichten, sondern ein System, durch das Menschen überflüssig gemacht werden. Totale Macht ist zu leisten und zu gewährleisten nur, wenn es auf nichts anderes mehr ankommt als auf absolut kontrollierbare Reaktionsbereitschaft, auf restlos aller Spontanität beraubten Marionetten. Menschen sind, gerade weil sie so mächtig sind, vollkommen nur dann zu beherrschen, wenn sie Exemplare der tierischen Spezies Mensch geworden sind."Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft", S. 667
Über Gebote
Ja, Gebote braucht der Mensch doch wohl um zu überleben
also schafft er ständig neue, sie zu übergeben
an die Welt, die nach ihm sein wird und an seine Erben
denn es lässt sich mit Geboten wirklich leichter sterben
Lernte ich doch in der Schule: Niemand solle lügen
und so war ich völlig sicher: Keiner wird betrügen
Doch im Lauf von dreißig Jahren lernte ich verstehen
Das Gebot kreiert man ja nur, um es zu umgehen
Wasserpredigt - Weingelage, so stehn die Gesetze
Und wer heut Moral noch fordert, ruft schon auf zur Hetze
Darum sah ich mich gezwungen, eigne mir zu schaffen
Zehn Gebote für mein Leben als die letzten Waffen:
Aufrecht steh'n wenn and're sitzen
Wind zu sein wenn and're schwitzen
Lauter schrei'n wenn and're schweigen
Beim Versteckspiel sich zu zeigen
Nie als And'rer zu erscheinen
Bei Verletzung nicht mehr weinen
Hoffnung haben beim Ertrinken
Nicht im Wohlstand zu versinken
Einen Feind zum Feinde machen
Solidarität mit Schwachen
Und ich hab sie nie gebrochen bis auf ein Gebot:
Bei Verletzung wein' ich manchmal, was ich mir verbot
Diese Gesellschaft braucht Täter wie Wolfgang Priklopil, um dem Bösen, das in ihr wohnt, ein Gesicht zu geben und es von sich selbst abzuspalten. Diese Gesellschaft benötigt die Bilder von Kellerverliesen, um nicht auf die vielen Wohnungen und Vorgärten sehen zu müssen, in denen die Gewalt ihr spießiges, bürgerliches Antlitz zeigt. Sie benutzt die Opfer spektakulärer Fälle wie mich, um sich der Verantwortung für die vielen namenlosen Opfer der alltäglichen Verbrechen zu entledigen, denen man nicht hilft – selbst wenn sie um Hilfe bitten.
Was an dir Berg war
Haben sie geschleift
Und dein Tal
Schüttete man zu
Über dich führt
Ein bequemer Weg
Kann mir jemand überzeugend dartun, daß ich nicht richtig urteile oder verfahre, so will ich's mit Freuden anders machen. Suche ich ja nur die Wahrheit, sie, von der niemand je Schaden erlitten hat. Wohl aber erleidet derjenige Schaden, der auf seinem Irrtum und auf seiner Unwissenheit beharrt.
Staat heißt das kälteste aller kalten Ungeheuer. Kalt lügt es auch; und diese Lüge kriecht aus seinem Munde: "Ich, der Staat, bin das Volk.""Also sprach Zarathustra"
Auf den Geist muß man schauen. Denn was nützt ein schöner Körper, wenn in ihm nicht eine schöne Seele wohnt.
Ein frei denkender Mensch bleibt nicht da stehen, wo der Zufall ihn hinstößt.
Die Eltern haben eben für die Kinder nur die tierische, sinnlose, sich mit dem Kinde immerfort verwechselnde Liebe, der Erzieher hat für das Kind Achtung, und das ist im Erziehungssinn unvergleichbar mehr, selbst wenn keine Liebe mitsprechen sollte. Ich wiederhole: im Erziehungssinn; denn wenn ich die Elternliebe eine tierisch sinnlose nenne, so ist das an sich keine Minderbewertung, sie ist ein ebenso unerforschliches Geheimnis wie die kunstvoll schöpferische Liebe des Erziehers, nur in Hinsicht der Erziehung allerdings kann diese Minderbewertung gar nicht groß genug sein. Wenn sich N. eine Henne nennt, so hat sie ganz recht, jede Mutter ist es im Grunde, und die, welche es nicht ist, ist entweder eine Göttin oder aber wahrscheinlich ein krankes Tier. Nun will aber diese Henne N. nicht Hühnchen, sondern Menschen zu Kindern haben, darf also ihre Kinder nicht allein erziehen.Brief an Elli Hermann (Herbst 1921)
Weißt du, bei diesen Überlegungen über den Hunger, der im Menschen ist, und für den Musik nichts anderes ist als die Luft für eine Flamme, nur noch zu hellerer Glut anfachend – bei diesen Überlegungen ist mir zum Bewusstsein gekommen, wie wir doch verhungern müssten, würde Gott uns nicht nähren: und dass es nicht nur der eine lange Faden ist, mit dem wir an Gott geknüpft sind durch die Schöpfung, wie es mir früher schien, wo ich noch nicht wusste, was ein Leben ist, zumal ein Menschenleben.Januar 1942